Titel: | Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre Leistungsfähigkeit. |
Autor: | W. Speiser |
Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 364 |
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Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre
Leistungsfähigkeit.
Von Dipl.-Ing. W. Speiser.
SPEISER: Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre
Leistungsfähigkeit.
Inhaltsübersicht.
I. Der Wirtschaftswert der Maschine Mensch. 1. Bewertung auf Grund
der Gestehungskosten. 2. Bewertung auf Grund der Erwerbsfähigkeit. 3.
„Kaufmännischer Wirkungsgrad“.
II. Die Leistungsfähigkeit der Maschine Mensch. 1. Mechanische
Arbeit. 2. Wirkungsgrad. 3. Mechanische Bewertung geistiger Arbeit.
III. Steigerung des Wirtschaftswertes. 1. Auswahl der Geeigneten.
2. Erziehung und Ausbildung. 3. Rationelle Arbeitsmethoden.
IV. Bewertung der „Nebenprodukte“. 1. Sächliches. 2.
Geistiges.
––––––––––
I. Der Wirtschaftswert der Maschine
Mensch.
Der leibeigene Mensch des Altertums und des Mittelalters war für seinen Besitzer eine
Ware, die ihm einen gewissen Wert darstellte. Gleichwie ein Arbeitstier gehalten
wurde, um es Arbeit für den Besitzer leisten zu lassen, so arbeitete der Sklave, der
Leibeigene für seinen Herrn; sein Tod bedeutete nichts weiter als einen
wirtschaftlichen Verlust für den Besitzer.
Verhältnismäßig neu ist die Ueberlegung, daß auch der heutige freie Mensch einen
Wirtschaftswert darstellt, wertvoll nun nicht mehr für einen einzelnen Eigentümer,
sondern für die Gesamtheit, das Staatswesen. Das bekannte Scherzwort Lists
„Wer Schweine aufzieht, ist also produktiv, wer Menschen erzieht,
unproduktiv“, beleuchtet die Art der Auffassung der älteren berufsmäßigen
Nationalökonomie. Sinngemäß liegt ja in der Lehre von den drei Produktionsfaktoren
Natur, Kapital und Arbeit bereits begründet, daß dem
Erzeuger der wertschaffenden Arbeit ein bestimmter und bestimmbarer Wirtschaftswert
innewohnen muß. Klar ausgesprochen ist diese Tatsache nur selten,Erst nachdem die vorliegende Arbeit nahezu
abgeschlossen war, sind mir die Arbeiten von Rud.
Goldscheid-Wien bekannt geworden („Entwicklungswerttheorie,
Entwicklungsökonomie, Menschenökonomie, eine Programmschrift“,
Leipzig 1908, ferner „Höherentwicklung und Menschenökonomie, Grundlegung
der Sozialbiologie“, Leipzig 1911; in diesem ausführlichen Werk
hauptsächlich Abschn. IX, Das Reproduktionsproblem und Abschn. X, Ausblick
auf die Menschenökonomie). G. wendet sich in kraftvollen Worten gegen die
Verschwendung des kostbaren Wirtschaftsgutes Mensch, dessen Wert er nicht
nur vom Standpunkt der kapitalistischen Bewertung, sondern von der höheren
Warte der Vorwärtsentwicklung der Menschheit betrachtet.„Dieses
Buch ist ein Protest gegen die unerhörte Menschenvergeudung, die auch in
unseren Tagen noch betrieben wird. Es ist eine Anklageschrift gegen alle
diejenigen, die den Wahnglauben vertreten und verbreiten, daß der Mensch
ein im Ueberfluß vorhandenes Gut ist, mit dem sparsam umzugehen niemand
verhalten zu werden braucht“ – so beginnt die Einleitung der
erstgenannten Schrift. „Man nimmt die Menschen“, heißt es dann in den
weiteren Ausführungen u.a., „und wandelt sie in sehr komplizierten
Prozessen zu den nichtigsten Gütern um, und wenn diese Umwandlung bei
der gerade bestehenden Struktur der Kaufkraft nur Profit abwirft, so
hält man sich schon zu der Annahme befugt, man habe Mehrwert
geschaffen.“Entsprechend dem mehr allgemein entwicklungs- und
bevölkerungstheoretischen Inhalt seiner auch ohne dies dringend
einleuchtenden Gedankenkreise verzichtet Goldscheid naturgemäß auf eine zahlenmäßige Festlegung des
menschlichen Wirtschaftswertes. Versuche zu einer quantitativen
Bestimmung dieses Wertes noch seltener.
Zahlenangaben wie die des amerikanischen Arztes W. Farr,„Dokumente des
Fortschritts“, 1914 S. 479. der den Wert amerikanischer
Arbeiter mit 25 Doll. für das neugeborene Kind bzw. 50 Doll. für den Zehnjährigen
beginnen, auf 800 Doll. für den Halberwachsenen und bis zum Höchstwert von 1200
Doll. für den 22-jährigen steigen, dann wieder auf 600 Doll. für den 50-jährigen und
5 Doll. für den 70-jährigen fallen läßt, müssen natürlich durchaus unbefriedigt
lassen, so lange über ihre Grundlagen nichts bekannt ist.
Zwei grundsätzlich verschiedene Wege sind eingeschlagen worden, ein Urteil über den
Wirtschaftswert des Menschenlebens zu gewinnen.
1. Bewertung auf Grund der Gestehungskosten. Der
Gedankengang des einen ist folgender:
Von seiner Geburt an, ja schon vor seiner Geburt verursacht der Mensch denen, die ihn
aufziehen, und der Allgemeinheit Kosten, und zwar so lange, bis seine Erziehung so
weit beendet ist, daß er selbst anfangen kann zu verdienen. Dieser Aufwand kann für
jeden Zeitpunkt in
der Entwicklung des Einzelnen zahlenmäßig bestimmt werden, die jeweilige Summe
ergibt die „Gestehungskosten“ für den menschlichen Arbeiter. Es wird
gewissermaßen ein Kapital aufgespeichert, vermöge dessen seinem Träger eine
potentielle wirtschaftliche Energie innewohnt. Aus den Aufwendungen, die für die
Jugendaufzucht und Erziehung gemacht werden, berechnete Potthoff 1908 den Wirtschaftswert der deutschen Jugend auf 1000 Milliarden
Mark.Umschau 1908, S 281
bis 284. Der wirtschaftliche Wert des Menschenlebens. Diesem
Gedankengang haftet jedoch ein grundsätzlicher Fehler an: die genannten Aufwendungen
können nämlich noch keinen Aufschluß geben über den tatsächlichen Wert, sondern sie
bedeuten im kaufmännischen Sinne eben die Gestehungskosten. Es ist der alte Unterschied zwischen Preis und Wert:
jener „eine konkrete Tatsache“, dieser „nur ein Idol, eine
Hoffnung“.Warschauer, Vorlesung an der Techn. Hochschule
Berlin-Charlottenburg. Allgemeine Volkswirtschaftslehre 1904/05.
Schon die Ueberlegung, daß ungeheure Summen an Erziehungs- und Ausbildungskosten
ganz vergeblich aufgewandt werden, wenn infolge von Veranlagung, Krankheit oder
anderweitiger Nichteignung schließlich der Einzelne nicht imstande ist, das
angelegte Kapital werbend zu verzinsen,Siehe
z.B. Ludw. Jens, Umschau 1913 S. 103. Was kosten
die schlechten Rassenelemente den Staat und die Gesellschaft?
zeigt, daß auf diesem Wege ein absoluter Wertmesser nicht zu erreichen ist. Weniger
kompliziert der natürliche Abgang durch Tod die Frage, die hier aufgewendeten Kosten
wären, da der Rest des Wirtschaftswertes Null wird, ohne weiteres auf den Aufwand
für die Ueberlebenden zu verteilen. Doch kann natürlich auch dieser Ausgleich
höchstens zur Ermittlung von Durchschnittswerten in Frage kommen.
2. Bewertung auf Grund der Erwerbsfähigkeit. Infolgedessen
scheint viel mehr Aussicht auf Erfolg der andere Weg zu haben, der nicht von den
Gestehungskosten vorwärts, sondern von der Verzinsung rückwärts schließt. Wenn
irgend eine (Kapital-) Anlage einen gewissen Geldwert im Jahre einbringt, so kann
aus diesem auf den Kapitalwert der Anlage geschlossen werden. Zur klareren
Darstellung sei ein Vergleich mit einer industriellen Anlage durchgeführt.
Wenn die Industrie eine Maschine aufstellt, so erwartet sie davon einen Nutzen, der
sich in einer angemessenen Verzinsung des festgelegten Kapitals ausdrückt. Das, was
die Maschine im Laufe eines gewissen Zeitabschnittes, zum Beispiel eines Jahres
verdient, soll mindestens gleich dem sein, was sie im gleichen Zeitabschnitt kostet.
Diese Kosten setzen sich nun kaufmännisch zusammen aus:
1. der Verzinsung des jeweiligen Wertes, der, ursprünglich
gleich dem Anschaffungswert (den Gestehungskosten), sich jährlich um den Betrag
der Abschreibungen vermindert,
2. den Abschreibungen, d.h. einem jährlichen Geldbetrag,
welcher der Wertminderung der Maschine durch Abnutzung entsprechen soll und so
bemessen wird, daß nach der wahrscheinlichen Lebensdauer der Maschine ihr Wert
bis auf Null „abgeschrieben“ ist,
3. den Betriebstoffkosten, zum Beispiel Feuerung,
4. den Bedienungs-, Instandhaltungs- und
Instandsetzungskosten,
5. den Kosten für Grund und Boden, für Raummiete usw.,
6. den Kosten für Feuerversicherung, andere Versicherungen
usw.
Der von der Maschine erarbeitete Geldwert dient also zur Deckung verschiedenartigen
Aufwandes. Was für die Maschinenanlage gilt, gilt sinngemäß ähnlich – und in
verblüffend einfacher Parallele – auch für die menschliche Wirtschaftsanlage.
Man braucht sich nicht zu scheuen, diesen Vergleich bis in kleinste Einzelheiten zu
verfolgen und kühl und sachlich kaufmännisch die Lebens- und Arbeitsbedingungen des
Menschen nachzurechnen, um so weniger als heute der größte Teil der Menschheit
gezwungen ist, seine körperliche und geistige Arbeit in möglichst ausgibiger Weise
wirtschaftlich zu verwerten und alles. daran zu setzen, für diese Arbeit ein
möglichst günstiges wirtschaftliches Aequivalent zu erzielen. Die Würde des Menschen
braucht darunter bei ernsthafter Betrachtung nicht zu leiden – immer werden noch
genüg immaterielle Werte zurückbleiben, die sich der kaufmännischen Rechnung
entziehen und die doch gerade den besten Teil des Menschenwertes ausmachen.
Neben dem, was am augenfälligsten, am leichtesten greifbar ist, den Kosten für die
eigentlichen „Betriebstoffe“, die Nahrungsmittel,
sehen wir ohne weiteres eine zweite Gruppe von Ausgaben, die mit dem Begriff Kosten für die Lebenshaltung gekennzeichnet werden
können. Wir werden sinngemäß hierher nicht nur die Kosten für Wohnung, Kleidung und
diejenigen körperlichen und geistigen Genußmittel setzen müssen, die über das Maß
des unbedingt Notwendigen (Nahrungsmittel) hinausgehen, sondern zum Beispiel auch
den Aufwand für den Unterhalt der Familie, kurz alles das, was nun einmal zur
„Aufrechterhaltung des Betriebes“ der menschlichen Maschine außer der
bloßen Nahrungsaufnahme noch gehört. Auch diese Beträge werden wie der
Nahrungsbedarf beim Einzelnen je nach Veranlagung, Lebenslage und Gewohnheit sehr
verschieden sein.
Abschreibungen müssen ihrer Natur nach auf Schätzungen beruhen, die höchstens durch
Erfahrungen gekräftigt sein können. Wie in der Industrie nur bei gewissenhafter
Handhabung der Abschreibung von einer Gesundheit eines Unternehmens gesprochen
werden kann, so ist auch im Wirtschaftshaushalt des Einzelmenschen wie für den
sozialen Wirtschaftskörper des Staates von ungemeiner Wichtigkeit das, was hier den
industriellen Abschreibungen sinngemäß entspricht. Ist es doch nicht zu leugnen, daß auch
die menschliche Maschine sich im Laufe der Jahre abnutzt, weniger leistungsfähig
wird und schließlich auf einer Stufe des Verschleißes anlangt, in der eine
Nutzarbeitsleistung nicht mehr möglich ist. Füglich sollte darauf während des
„Betriebes“ Rücksicht genommen und durch zeitliche regelmäßige
„Abschreibungen“ dafür gesorgt werden, daß, wenn sich der Wert der
Maschine der Null nähert, jeweils dem verminderten Wert entsprechend ein
Geldäquivalent festgelegt wird. Eine Verwirklichung dieses Gedankens oder doch eine
starke Annäherung daran finden wir in der mit dem Alter, d.h. mit wachsendem
Verbrauch steigenden Pensionsberechtigung der Beamten sowie in der
Fürsorgegesetzgebung für Arbeiter und Angestellte, mehr noch und deutlicher
ausgeprägt in den privaten Lebens- und Sparversicherungen, bei denen die jährlich
gezahlte Prämie unmittelbar der Abschreibungsquote vergleichbar ist.
Zu einer durchaus folgerichtigen Durchführung einer solchen „Amortisation“
müßte natürlich sinngemäß wiederum zunächst festgestellt werden können, wie groß der
absolute Geld- oder Wirtschaftswert der menschlichen Maschine zu jeder Zeit ist,
ferner auf eine wie große Dauer der „Betriebsfähigkeit“ mit gleichem oder
vermindertem Wirkungsgrad gerechnet werden kann.
Betrachten wir zunächst die Kosten für die Erzeugung menschlicher Arbeit unabhängig
von der Frage, ob nur körperliche oder nur geistige Arbeit erzeugt werden soll oder
beides. Die Umwertung mechanischer Arbeitsäquivalente in geistige Arbeitsleistung
erscheint naturgemäß auf den ersten Blick äußerst schwierig; weiter unten soll
gezeigt werden, daß sie doch keineswegs außer dem Bereich der Möglichkeit liegt.
Grundsätzlich schwieriger ist die Frage, wieviel von der erzeugten geistigen Arbeit
als Nutzarbeit in Betracht gezogen werden kann und welcher Anteil davon übrig
gelassen werden muß als einfaches nicht unmittelbar nutzbar verwertetes Erzeugnis
(„Nebenprodukt“) des Menschen als nun doch einmal lebenden und denkenden Wesens. Selbstverständlich können wir diesen
Gesichtspunkt niemals aus der Betrachtung ausschalten, sobald wir mehr als nur
körperliche Arbeit beweiten wollen, es sei denn, daß es gelinge, einen absoluten
Wertmesser für geistige Arbeit zu finden. Aber auch hier gibt uns die Umrechnung auf
Geldwert wenigstens für gewisse Fälle einen Fingerzeig. Man wird annehmen können,
daß in annähernd gleichen Verhältnissen, gleichen Berufen, gleichen
Arbeitsbedingungen, im allgemeinen der im heutigen, scharfen Wettbewerb besser
Bezahlte auch die der Menge oder Qualität nach wertvollere geistige Arbeit als
Nutzarbeit verwerten wird. Läßt dies auch (neben aller Unsicherheit in bezug auf die
absolute Richtigkeit im einzelnen Falle) noch keinen Schluß zu auf die Summe der
überhaupt erzeugten geistigen Arbeit, so bleibt eben in der Betrachtung als
Restglied, daß der Mensch als denkendes Wesen gerade in
bezug auf seine Denktätigkeit einen eigenen Willen ausüben kann und damit seinen
Wirkungsgrad bewußt oder unbewußt beeinflussen. Besondere Fähigkeiten oder
Unfähigkeiten, wie Konzentration, Unaufmerksamkeit usw. könnten vielleicht
gelegentlich das Gesamtergebnis so sehr beeinflussen, daß sie auch äußerlich bei der
Bestimmung des Wirkungsgrades erkennbar werden. Ueberdies wird natürlich der
Wirkungsgrad jedes Menschen für jede Tätigkeit nicht nur individuell verschieden
sein, und zwar für verschiedene Arbeiten bei den gleichen Personen ganz verschiedene
Werte haben, sondern auch beim gleichen Individuum je nach Körperzustand, Stimmung,
Umgebung starken Schwankungen unterliegen.
Einen sehr beachtenswerten Beitrag zu dieser Frage liefert eine Arbeit von Weißhuhn,Tarifverträge und gerechte Entlohnung im Maschinenbau, Berlin 1913; s.
auch meine Besprechung in D. p. J. 1914 S. 271. Leider hat uns auch diesen
hoffnungsreichen Arbeiter der Krieg entrissen; Weißhuhn ist am 21. Mai 1915 als Leutnant der Reserve
gefallen. der aus der tatsächlichen Bewertung von
Arbeitsleistungen (und zwar nicht nur mechanischer reiner Körperarbeit, sondern zum
Teil sogar hochwertiger „gelernter“ Handwerkerarbeit) zunächst
Vergleichszahlen für den Wirtschaftswert des menschlichen Arbeiters zu gewinnen
sucht und dabei die Möglichkeit, auch absolute Zahlen zu finden, deutlich vor Augen
führt.
Selbstverständlich sind alle Einzelheiten des Vergleichs des Menschen als
Wirtschaftswert mit einer wirtschaftlich zu verzinsenden industriellen Anlage cum
grano salis zu betrachten. Ueber die zunächst vielleicht etwas komisch anmutenden,
freilich wohl ohne weiteres auch in diesem Zusammenhang verständlichen Begriffe
Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten soll noch weiter unten gesprochen werden;
hier zunächst noch Einiges über Verzinsung. Die Verzinsung eines Geldbetrages oder
Geldwertes ist einfach zu übersehen, wenn die Zinsen wieder als Geldwert in
Erscheinung treten. Bei der Verzinsung einer Maschine in einem Industrieunternehmen
erscheint der Zinsbetrag für ihren Wert unmittelbar nur in den Büchern. Ein
bestimmter Teil des werbenden Kapitals, das in dem Unternehmen tätig ist und Ertrag
bringen soll, ist in der Maschine festgelegt; so lange die Maschine nicht „auf
Null abgeschrieben“ ist, muß ein ihrem Wert entsprechender Betrag als
Verzinsung dieses Kapitalanteils in die Unkostenrechnung eingestellt werden. Er
vermindert also die Summe des Reinertrages. Ist die Abschreibung auf Null erfolgt,
so erhöht sich der Reingewinn um eben diese Summe, sofern die Maschine brauchbar
bleibt. Die für die Aufzucht und Erziehung eines Menschen aufgewendeten Geldbeträge
sind meistens nicht in solcher kaufmännischen Form festgelegt, sie sind von den
Beteiligten meistens à fonds perdu, d.h. in gewissem Sinne sofort auf Null
abgeschrieben (sofern sie nicht zum Beispiel als deutlich greifbare
Kapitalschuldsumme deutlich ihre rein geldmäßige Verzinsung heischen). Von einer
eigentlichen Verzinsung dieses Aufwandes braucht deshalb nicht immer die Rede zu
sein; wenn aber, so ist sie zu suchen in dem Ueberschuß über den Aufwand für
Nahrungsmittel, sonstige Lebenshaltung und die oben gekennzeichneten Abschreibungen. Das können
sachliche und geistige Güter sein, Spargut, Aufwendungen für Kinderaufzucht,
vielleicht auch für Genußmittel im weitesten Sinne.
Wenn es sich nunmehr also darum handelt, aus dem Arbeitsverdienst den Wert des
Arbeiters zu ermitteln, so werden alle diese Umstände in Betracht zu ziehen sein.
Wenn die einzelnen bestimmenden Bestandteile der Bilanzrechnung ihrem Wesen nach
hinreichend bekannt und durchsichtig genug sind, so ist eine durchaus kaufmännisch
genaue Wertbestimmung möglich. Der Weg scheint schwierig, aber nicht ungangbar.
3. Kaufmännischer Wirkungsgrad. Wir sahen auf der einen
Seite einen Weg zur Bestimmung der Gestehungskosten, auf
der anderen eine Möglichkeit zur Feststellung des Wertes
(Wirtschafts- oder Handelswertes) für den Menschen als Arbeiter. Vergleichen wir die
beiden gefundenen Ergebnisse, so zeigt sich, ob der Aufwand dem Erfolge entspricht,
der Kaufmann würde sagen ob das Geschäft gelohnt hat, ob die Bilanz mit einem Saldo
auf der Habenseite abschließt. Man kann also hier gewissermaßen von einem
„kaufmännischen Wirkungsgrad“ sprechen, der seinen
mathematisch-technischen Ausdruck finden würde als
\eta_k=\frac{\mbox{Nutzwert}}{\mbox{Gestehungskosten}}.
Er hat gegenüber dem sonst in der Technik üblichen Wirkungsgrad die Eigentümlichkeit,
größer als 1 werden zu können, ja, zur Erhaltung einer Wirtschaftlichkeit größer als
1 sein zu müssen. Während also der gewohnte technische Wirkungsgrad die Annäherung
an einen theoretisch möglichen Höchstwert erkennen läßt, gibt der kaufmännische
Wirkungsgrad den – positiven oder negativen – Abstand von einem Mindestwert an,
dessen Erreichung erst die Daseinsberechtigung des ganzen Vorganges bedeutet.
II. Die Leistungsfähigkeit der Maschine
Mensch,
1. Mechanische Arbeit. Mit der Feststellung der
eigentlichen Leistungsfähigkeit der Maschine Mensch, d.h. der rein körperlichen
Leistungsfähigkeit des Arbeiters, hat sich als einer der ersten Daniel Bernoulli (1738) beschäftigt. Die Coulombsche Darstellung seiner Anschauung,„Expériences sur la force des hommes“
in „Théorie des machines simples“, Paris 1821. wonach die
Ermüdung des Menschen immer ohne weiteres proportional der geleisteten Arbeit sei,
so daß man ohne Ueberschreitung der natürlichen Kräfte die drei Elemente
Geschwindigkeit, Kraft und Zeit beliebig ändern könne und bei gleichem Produkt (v•k•t) stets die gleiche Ermüdung erhalte, während die
Art der (mechanischen) Betätigung gleichgültig sei, weist AmarLe moteur humain,
Paris 1914, S. 235. als irrtümlich nach.
Bernoulli bewertet die Tagesarbeit des Menschen unter
günstigen Bedingungen auf 247700 mkg (bezogen auf den ganzen Tag also 0,028 kW
= 0,038 PS; bezogen auf 8 Std. Arbeitszeit 0,084 kW = 0,114 PS).
Coulomb sucht der Frage nach der absoluten Tagesleistung
und ihrem Höchstwert durch Versuche näher zu kommen. Seine Arbeiten sind bis in die
neuere Zeit fast die einzigen auf diesem Gebiet geblieben. Er weist ausdrücklich
darauf hin, von welchem wesentlichen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Menschen
die Art der mechanischen Arbeit ist. Er ermittelt aus den Leistungen beim
Treppensteigen mit und ohne Last, aus dem Bericht von Reisenden über eine Besteigung
des Pic von Teneriffa, aus Beobachtungen beim Holztragen eine Tagesarbeit von 109000
bis 235000 mkg. Auch spürt er bereits dem Optimum der Leistung nach, das durch das
Verhältnis der Einzellast zur Zahl der Beförderungswege gegeben wird und beobachtet
den Einfluß der Ruhepausen. „Taylorismus“ reinster Art vor 100 Jahren!
Wie Coulomb bereits betont, liegt eine Hauptschwierigkeit
in der Feststellung der Ermüdung, und zwar in einer genauen Begriffsbestimmung eines
bestimmten Grades körperlicher Ermüdung. Die Grenze der körperlichen
Leistungsfähigkeit ist gegeben durch das Eintreten eines gewissen Grades von
Ermüdung. Für die Beurteilung im Sinne der Arbeit einer Maschine – die nicht ermüdet
– kann daher stets nur eine Leistung bis zu einem solchen Grade von Ermüdung in
Betracht gezogen werden, der durch normale Ruhepausen wieder beseitigt wird.
Entsprechend dem von Ranke, Pettenkofer und Voit nachgewiesenen „physiologischen Gesetze der
24-stündigen Statik des Stoffwechsels“ ist zu unterscheiden zwischen dem
„täglichen mittleren mechanischen Aequivalent menschlicher Ermüdung“ bzw. mittlerer Sekundenleistung, im Gegensatz zu besonderen Sekundenleistungen
(Lebensgefahr, Sport), die Erschöpfung bringen.von Rziha,
Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1894 S. 642. Die mittlere Leistung eines
Arbeiters. Physiologisch drückt sich der Unterschied zwischen
Ermüdung und Erschöpfung so aus, daß bei Ermüdung sich im Körper Giftstoffe,
Ermüdungsstoffe („Stoffwechselschlacken“) bilden, die bei Ruhe mittels
Durchspülung mit frischem Blut unter Umständen in wenigen Minuten wieder beseitigt
werden können, während Erschöpfung auf einen Verbrauch von Stoffen zurückzuführen
ist, die der Körper für die Arbeitsleistung benötigt und für die erst in längerer
Zeit Ersatz beschafft werden kann.Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen
Arbeit. Arch. f. Sozialw. u. Sozialpol. 1909 Bd. 28.
Als mechanische Tagesleistung eines Arbeiters ermittelt Rziha im Durchschnitt einer Zusammenstellung von 30 Werten verschiedener
Arbeiten nach verschiedenen Quellen 127415 mkg, d.h. rund 300 WE. Wenn aus dieser
Leistung ein auf 24 Stunden bezogener Tagesdurchschnitt errechnet wird, so ergibt
sich 1,48 mkg/sec. entsprechend 0,014 kW = 0,020 PS; wird dagegen nur die reine
Arbeitsdauer in Betracht gezogen, so ist zu berücksichtigen, daß die eigentliche
„Tätigkeitszeit“ nur einen mehr oder minder geringen Bruchteil der
Arbeitszeit oder Schichtdauer ausmacht, der nach Rziha
mit 65 v. H. einzusetzen ist. Unter dieser Voraussetzung ermittelt er aus der obigen
Zahl als mittlere Sekundenleistung eines Arbeiters 6,3
mkg. Das entspricht einer Leistung von 0,062 kW = 0,084
PS (rund
1/12 PS).
Es handelt sich hierbei, wie gesagt, um Mittelwerte für schwere Körperarbeit. Amar kommt „unter günstigen Umständen“ bei 8
Stunden Tätigkeit auf 300000 mkg/Tag, entsprechend 10,4 mkg/sec = 0,10 kW = 0,14 PS
(rund 1/7 PS). Für
leichtere handwerksmäßige Arbeit nennt BoruttauH. Boruttau, Die
Arbeitsleistungen des Menschen, Berlin-Leipzig 1916, Teubner (Aus Natur und
Geisteswelt). als Beispiele die aus dem Sauerstoffverbrauch in
einer Stunde errechnete Arbeitsleistung in 10 Stunden, bei einer Näherin 14000 mkg,
einem Schreiber 18000 mkg, einem Schuhmacher 30000 mkg.
Als höchste überhaupt gemessene mechanische Leistung eines Menschen gibt Amar eine Leistung von 41,16 mkg/sec (0,40 kW = 0,55 PS)
an, diese Leistung wurde indessen nur 34 sec lang ausgeübt und führte zur völligen
Erschöpfung der Versuchsperson (hors d'haleine). Zweistündiges Bergsteigen hat nach
dem gleichen Verfasser in einem Einzelfalle eine Durchschnittsleistung von 0,33 kW =
0,45 PS ergeben. Boruttau führt nach Blix eine Höchstleistung beim Treppensteigen ohne Last
von 101,2 mkg/sec, mit Last von 95,4 mkg/sec an, jeweils auf die Zeit von 4 sec.
Damit wäre also für diese kurze Zeit eine Leistung von fast 1 kW erreicht worden,
eine Ausnahmeleistung, die natürlich für die Praxis keinerlei Bedeutung hat.
Es entsteht nun die ungemein schwierige Aufgabe, jenes Maß der Ermüdung, das durch
normale Ruhepausen wieder beseitigt werden kann, unabhängig vom subjektiven
Empfinden der Versuchsperson festzustellen.
Im Weberschen Aesthesiometer, einem im wesentlichen aus
zwei Zirkelspitzen bestehenden Instrument, mit dem die
Raumunterschiedsempfindlichkeit der Haut gemessen wird, dann im Mossoschen Ergographen, der die Kontraktionsfähigkeit
bestimmter Muskeln gegenüber einem Widerstand aufzeichnet, glaubte man die
Möglichkeit einer objektiven Messung nicht nur des Eintritts, sondern auch des
Grades der Ermüdung gefunden zu haben; jedoch soll ihr Wert nicht überschätzt
werden.Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen
Arbeit. Arch. f. Sozialw. u. Sozialpol. 1909, Bd. 28, S. 221. In
neuerer Zeit hat Prof. Ernst Weber (Leiter der
physikal.-psycholog. Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie)
ein überraschend einfaches und wichtiges Kennzeichen für den Eintritt der Ermüdung
gefunden.Arch. f. Anatomie
und Physiologie, Physiolog. Abt. 1914, S. 290, 305, 330, 385; danach Albrecht in „Concordia“, Z. d. Zentr. f.
Volkswohlfahrt 1915, S. 31. S. auch Technik und Wirtschaft 1915, S.
287. Nach seinen Feststellungen strömt bei anstrengender Muskelarbeit
das Blut im menschlichen Körper in den Rumpf und die Glieder. Die Blutgefäße
erweitern sich hier und ziehen sich in den Bauchorganen zusammen. Bei Eintritt von
Ermüdung kehrt sich diese Blutverschiebung um, die Blutgefäße der Bauchorgane
erweitern, die vom Rumpf und Gliedern verengen sich. Auf die Art der Feststellung
dieser Blutverschiebung mit Hilfe des Plethysmographen, einer Vorrichtung zur
Messung der Volumenzunahme von Körperteilen, kann hier nicht näher eingegangen
werden; man sehe die genannten Arbeiten Webers. Der
physiologische Zweck dieser Blutverschiebung ist die möglichst reichliche
Blutversorgung der arbeitenden Körperteile zwecks Ernährung und namentlich zwecks
Fortspülung der entstehenden Ermüdungsstoffe im Beginn der Arbeitsleistung, dann
aber eine Art „Selbststeuerung“, die bei Ueberanstrengung der benutzten
Gliedmaßen durch Anhäufenlassen der Ermüdungsstoffe das Müdigkeitsgefühl anwachsen
läßt und den Organismus zum Aufgeben der schädlich werdenden Anstrengung veranlaßt.
Die Tatsache, daß bei der Leistung geistiger Arbeit und der, dadurch eintretenden
Ermüdung die Blutverschiebung im umgekehrten Sinne stattfindet, gibt wertvolle
Fingerzeige für die Nutzbarmachung der Wechselwirkung zwischen körperlicher und
geistiger Arbeit.
Die heutige Wissenschaft verwendet natürlich sehr viel feinere Untersuchungsverfahren
für die Feststellung der menschlichen Leistung, als es zur Zeit Coulombs möglich war. So ist es zunächst ein
grundlegender Unterschied, daß wir heute infolge unserer Kenntnis vom Gesetz der
Erhaltung der Energie die vom Menschen erzeugte Wärme bei der Berechnung der
Leistung nicht außer acht lassen dürfen. Für uns läßt sich die Aufgabe am
einfachsten auf der Grundlage einer Untersuchung des Wärmeumsatzes durchführen. Wir
müssen außer der unmittelbaren mechanischen Arbeit, die am bequemsten mittels
besonderer Vorrichtungen, wie Fahrräder oder anderer Kurbelmechanismen, erzeugt und
mechanisch oder elektrisch abgebremst wird, auch die entwickelte und an die Umgebung
abgegebene Wärme genau messen. Ferner darf nicht unberücksichtigt bleiben der
Wärmewert der ausgeschiedenen Stoffwechselprodukte, nämlich der ausgeatmeten Luft,
des Kotes und des Harnes.
Zu diesem Zweck hat man Versuchspersonen in vollständig als Kalorimeter
eingerichteten Zellen untergebracht (Atwatersches Zimmer) und dort ihre
Wärmeentwicklung im Ruhezustand und bei der Verrichtung von Muskelarbeit gemessen.
Die Einrichtungen und Meßverfahren sind naturgemäß recht schwierig. Der Versuchsraum
muß groß genug sein, um dem Versuchsmenschen eine wenn auch beschränkte, so doch
immerhin so weitgehende Bewegungsfreiheit zu belassen, daß er tagelang darin hausen,
schlafen und arbeiten kann unter nicht gar zu sehr vom Gewohnten abweichenden
Lebensbedingungen. Der ganze Raum ist von Wasser umgeben, dessen Temperatur auf
Hundertel Grade genau bestimmt werden kann, die mittels Ventilatoren ein- und
abgeführte Luft wird aufs genaueste auf ihre Zusammensetzung und ihren Wärmewert
untersucht. So wird es möglich, auch die entwickelte Wärmearbeit mit großer Genauigkeit zu
bestimmen.
Natürlich muß bei der Bewertung der menschlichen wie bei der jeder anderen
Kraftmaschine in Betracht gezogen werden, in wie weit die erzeugte Wärmearbeit für
die Erfüllung des Zweckes neben der mechanischen Arbeit von Nutzen oder Schaden ist,
ob sie nicht, wie bei den meisten anderen Kraftmaschinen zum großen Teil
„verloren geht“, d.h. erzeugt werden muß, ohne
daß sie ausgenutzt werden kann. Diese Frage wird von Wichtigkeit für die
Feststellung des Wirkungsgrades, von dem weiter unten gesprochen werden soll.
Die Ermittlung der Gesamterzeugung an mechanischer und Wärmearbeit ist aber unter
Anwendung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie auch möglich aus der
Feststellung der vom Körper aufgenommenen Stoffe. Wenigstens gilt das für den
erwachsenen, gesunden Menschen, denn bei ihm muß alle zugeführte Energie wieder in
irgend einer Form abgegeben werden, weil sie zum Aufbau des eigenen Körpers nicht
verwendet wird. Dies, der Aufbau des eigenen Körpers, kommt dagegen ziemlich
erheblich in Betracht bei Kindern und in gewissem Maße bei den durch Krankheit
bedingten Veränderungen, wie Fettleibigkeit, Rekonvaleszenz usw. Freilich werden bei
der verhältnismäßigen Langsamkeit solcher körperlichen Entwicklungsvorgänge die
gebotenen Abzüge von der zu erwartenden Energieabgabe so gering sein, daß sie
innerhalb der natürlichen Beobachtungsfehlergrenzen liegen.
Im Gegensatz zur mechanischen Maschine ist aber, worauf unter andern C. OppenheimerMonatsbl. d. Berliner Bez.-Vereins deutscher Ingenieure 1915 S.
20. mit besonderem Nachdruck hinweist, die menschliche Maschine in
ihrer Leistung in sehr weiten Grenzen unabhängig von der unmittelbaren Betriebsmittelzufuhr. Durch Kraftspeicher im Körper (zum
Beispiel Fette und andere Stoffe) ist es dem lebenden Organismus ermöglicht, lange
Zeit die gewohnte Leistung fast unvermindert herzugeben, selbst wenn die
Nährstoffheranführung stark eingeschränkt oder überhaupt unterbrochen wird. Die
Feststellung der Leistung aus den zugeführten Nährmitteln kann daher nur dann
brauchbare Werte liefern, wenn sie auf sehr lange Zeit ausgedehnt wird. Man hat sich
für Versuche damit geholfen, daß man bei durchaus gleichmäßiger Lebens- und
Arbeitsweise den Versuchspersonen so viel Nahrung zugeführt hat, wie zur Erhaltung
eines genau gleichen Körpergewichts erforderlich ist, und den Versuch erst dann
begonnen hat, wenn dieses Maß an Nahrung und der Gleichgewichtszustand des Körpers
festgestellt war. Wenn dieses Verfahren auch naturgemäß nicht den Anspruch auf
Genauigkeit machen kann, wie das vorher geschilderte zur Ermittlung der Leistung, so
ergibt es doch, namentlich in Verbindung mit diesem, Werte, die einen recht sicheren
Vergleich der für verschiedene Arbeitsleistungen benötigten Energiemengen zulassen
und damit auch die interessante Frage des Wirkungsgrades der Maschine Mensch
der Klärung näher bringen.
Da die Veränderungen, welche die dem Körper zugeführten Stoffe erleiden, lediglich
auf Oxydationsvorgängen beruhen, bietet sich eine weitere Vereinfachung in der
Bestimmung der vom Körper aufgenommenen Energiewerte, wenn man den Verbrauch des
Körpers an Sauerstoff feststellt durch Ermittlung der Verminderung des
Sauerstoffgehaltes in der durch die Lungen bewegten Atemluft. Wenn die chemische
Zusammensetzung der Nahrung bekannt ist, kann die Zahl der durch die Oxydation
erzeugten Wärmeeinheiten ohne weiteres rechnerisch genau aus den chemischen
Beziehungen ermittelt werden; für eine in üblicher Weise gemischte Nahrung ergibt
sich ein Wert von 4,90 WE auf 1 l verbrauchten Sauerstoff.Amar, Le moteur
humain et les bases du travail professionnel, Paris 1914, S. 193 ff. Auf
dieses ungemein reichhaltige und wertvolle Werk sei besonders
hingewiesen. Ein Vergleich der durch Rechnung aus den Wärmewerten
der zugeführten Nahrung ermittelten Werte mit den aus der Aufnahme von Sauerstoff
errechneten ergab Fehler von weniger als 1 v. H.
Dieses Verfahren der Feststellung des Energieumsatzes durch Sauerstoffbestimmung
erweist sich in der Praxis als das bei weitem bequemste. Die Aufnahme der
ausgeatmeten Luft ist mittels eines einfachen Atemventils (Chaveau-Ventil), ihre
Messung mittels gewöhnlicher Gasmesser, ihre Analyse durch bequeme Verfahren leicht
auszuführen (die übrigens auch dem Maschineningenieur von Rauchgasanalysen her
vertraut sind). Die einfache und wenig Zeit beanspruchende Anwendung ermöglicht
ferner einen Vergleich über den Energieaufwand bei verschiedenen Arbeiten, zumal
durch Versuche festgestellt ist, daß der Sauerstoffverbrauch unmittelbar mit dem
Energieaufwand steigt und fällt. So ist es zum Beispiel mit diesem Verfahren
möglich, den geringen Unterschied an Energieaufwand festzustellen, der durch die
Muskelanstrengung beim Aufrechterhalten des menschlichen Körpers in verschiedenen
Stellungen erfordert wird. Nennt man den Sauerstoffverbrauch eines ruhend sitzenden Erwachsenen 100, so ist der Verbrauch beim
bequemen Stehen mit geschlossenen Füßen 106, in der militärischen Stellung
„Stillgestanden“ 125, in der Stellung „Rührt Euch“ (mit
vorgesetztem Fuß) 103.Amar, a. a. O. S. 445.
Der Sauerstoffverbrauch eines ruhenden Erwachsenen beträgt rund 20 l/Std.
(umgerechnet auf 0° und 760 mm BS), was mit dem obengenannten Wert von 4,90 WE einem
Energieverbrauch von 98 WE/Std. oder etwa 2350 WE/Tag entspricht. Der Verbrauch
nimmt, wie es von vornherein wahrscheinlich ist, mit dem Körpergewicht zu und
beträgt für den Ruhezustand (Umhergehen im Zimmer, Essen, Trinken, Lesen, Schreiben)
32,56 WE/Tag für das kg Körpergewicht; bei einem Menschen von 70 kg also rund 2300
WE/Tag. In der Zeit des tiefsten Schlafes geht der Energieverbrauch bis auf 70 v. H.
des mittleren Tageswertes hinunter. Für mittlere Arbeit gibt RothPrometheus Nr. 1372
vom 12. Februar 1916. 40 bis 45 WE/Tag für das kg Körpergewicht
an, doch ist klar, daß diese Werte um so mehr von dem Betrage der Arbeit abhängen,
als die eigentliche mechanische Arbeit das Uebergewicht erhält über den nur zur
Erhaltung der Körpertätigkeit erforderlichen Aufwand des Ruhezustandes. Für einen
24-Stundenversuch, bei dem während 8 Stunden durch den Versuchsmenschen eine
mechanische Arbeit von 604 WE (= 260000 mkg, entsprechend durchschnittlich 0,088 kW
= 0,12 PS) geleistet wurde, also eine ungewöhnlich hohe Tagesleistung, wurden von
dem 76 kg wiegenden Versuchsmenschen insgesamt 5177 WE verbraucht, also 68 WE/Tag
für das kg Körpergewicht. Zieht man die dem Ruheverbrauch eines Menschen von 76 kg
entsprechenden 32,56 × 76 = 2450 WE/Tag von dem Gesamtverbrauch von 5177 WE/Tag ab,
so findet sich, daß für die Leistung der 604 WE Arbeit ein Mehraufwand von 2727 WE
erforderlich war, daß also nur \frac{604}{2727}=22,1 v. H. des
Mehraufwandes nutzbar gemacht worden ist.
2. Wirkungsgrad. Die letzte Ueberlegung leitet bereits
über zu der wichtigen und viel umstrittenen Frage des Wirkungsgrades. Hier liegen
Physiologen und Techniker in schwerer Fehde, da dem einen die Begriffsbestimmung des
anderen nicht einleuchten will. Der Physiologe nennt
Wirkungsgrad das Verhältnis der Nutzarbeit zu dem Mehrbedarf gegenüber dem Ruhestand
und beruft sich darauf, daß ja eben für die Nutzarbeit selbst nur jener Mehraufwand
in Frage kommt, während der Aufwand des Ruhezustandes auch ohne Leistung äußerer
Arbeit verbraucht würde. Der wiederholt angestellte Vergleich dieses Ruhezustandes
des Menschen mit dem Leerlauf einer Maschine ist von C. OppenheimerDer Mensch als
Kraftmaschine, Monatsblätter des Berl. Bez.-Ver. d. Ing. 1915 S.
23. und anderen als undurchführbar widerlegt worden. Es ergibt sich
grundsätzlich der Gegensatz, daß die technische Maschine sich bis zum völligen
Verschleiß abnutzt, während die Maschine Mensch dauernd für die eigene
Instandhaltung einen gewissen Betrag ihrer Arbeit verwendet, der eben nicht erst als
äußere Arbeit erscheint. Der Techniker nennt Wirkungsgrad
das Verhältnis der Nutzarbeit zur überhaupt aufgewendeten Arbeit, wie er es von der
technischen Maschine gewohnt ist. Ihm widerstrebt es, einen Arbeitsbetrag, der doch
auch in der menschlichen Maschine erzeugt wird, nur auf Grund seiner besonderen
Verwendung von dem Gesamtbetrage der erzeugten Arbeit abzuziehen und somit bei der
Berechnung des Wirkungsgrades auszuschließen. Auf die Unzweckmäßigkeit der
physiologischen Begriffsbestimmung und die aus ihr folgenden Widersprüche hat Schreber ausführlich und überzeugend hingewiesen.Pflügers Arch. f.
d. ges. Physiologie Bd. 159, S. 276. Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine.
Auch als Sonderdruck erschienen bei Martin Hager, Bonn 1914
Dieser Zwiespalt in der Begriffsbestimmung des Wirkungsgrades kann vielleicht
einer Klärung näher geführt werden, wenn man versucht, beide Begriffe, den
„physiologischen“ und den „technischen“ Wirkungsgrad durch
Umrechnung auf eine neue neutrale Maßeinheit auszudrücken. Eine Möglichkeit für
diese Vornahme bietet die Benutzung des auch sonst zur abstrakten Darstellung von
Werten gebräuchlichen Maßes, des Geldwertes. Natürlich kann man auch hier zunächst
nicht erwarten, damit sogleich auf absolute Werte zu kommen, eine gewisse Klärung
scheint aber mit diesem Gedankengang sehr wohl möglich.
Wir kommen damit zu einer Nutzbarmachung des bereits weiter oben entwickelten
Begriffs des „kaufmännischen Wirkungsgrades“. Hält man an der
Begriffsbestimmung fest;
\mbox{Wirkungsgrad}=\frac{\mbox{Erfolg}}{\mbox{Aufwand}}, so
ergeben sich folgende Beziehungen:
1. für das kaufmännische Geschäft:
Aufwand: Einkaufspreis + Unkosten.
Erfolg: Verkaufspreis.
2. für die Maschine:
Aufwand: Kosten der Betriebsstoffe + Unkosten,
Erfolg: Wert der Nutzarbeit.
3. für den Menschen:
Aufwand: Kosten der Nahrungsstoffe + Unkosten.
Erfolg: Wert der Nutzarbeit + Erhaltung.
Hierbei ist natürlich zu beachten, daß der Posten „Erhaltung“ bei 1. und 2.
eigentlich unter „Unkosten“ einbegriffen ist und somit vergleichsweise bei 3.
auch als Abzug unter den Unkosten eingesetzt werden könnte. Auf der Vernachlässigung
dieses Postens beruht offenbar viel Unklarheit. Die aufgestellten Beziehungen
zwischen Aufwand und Erfolg sind keine Gleichungen, vielmehr ist eben im
kaufmännischen Sinne der Bruch Erfolg durch Aufwand als Wirkungsgrad zu bezeichnen.
In diesem Sinne ist daher weder der technische Wirkungsgrad noch der physiologische
einwandfrei.
Auf alle Fälle aber muß man sich der Mehrdeutigkeit des Begriffs stets bewußt bleiben
und sich hüten, Werte nach der einen Begriffsbestimmung mit solchen nach der anderen
zu vergleichen, wie es in der Literatur leider bisweilen geschehen ist.
Zahlenmäßig wurde der Wirkungsgrad im physiologischen Sinne für einen Sonderfall
bereits am Schluß des vorigen Abschnitts ermittelt, nämlich zu rund 22 v. H. aus dem
Verhältnis
\frac{\mbox{Nutzarbeit}}{\mbox{Gesamtverbrauch}-\mbox{Ruheverbr}.}=\frac{604\
\mbox{WE}}{5177\ \mbox{WE}-2450\ \mbox{WE}}=0,221.
Im technischen Sinne würde für den gleichen Fall sich ein Wirkungsgrad von rund 12 v.
H. ergeben aus dem Verhältnis
\frac{\mbox{Nutzarbeit}}{\mbox{Gesamtverbrauch}}=\frac{604\
\mbox{WE}}{5177\ \mbox{WE}}=0,117.
3. Mechanische Bewertung geistiger Arbeit. Es ist
außerordentlich merkwürdig, daß nach den bisherigen Versuchen Atwaters und anderer es bislang nicht gelungen ist, den doch offenbar
vorhandenen Energieverbrauch für die Leistung geistiger Arbeit durch Messung
festzustellen. Sofern sich – was man eigentlich ohne weiteres annehmen sollte – bei
der Leistung geistiger Arbeit ein Mehrbedarf an Nährstoffen gegenüber dem
Ruhezustand ergibt, müßte der Umsatz dieser Nährstoffe im Körper, der nur als
Verbrennung in die Erscheinung treten kann, eine Erhöhung der Zahl der erzeugten
Wärmeeinheiten ergeben. Das ist aber nach den bisher vorliegenden
Versuchsbeobachtungen nur in so geringem Maße (um etwa 4/1000) der Fall, daß darin keine
Erklärung gesehen werden kann. Diese Zunahme des Sauerstoffverbrauchs ist sehr
wahrscheinlich nicht auf einen Umsatz in der Nervensubstanz zurückzuführen, sondern
auf eine allgemeine Anregung, die der gesamte Stoffwechsel durch die Gehirnarbeit
erfährt.
Das ganze Gebiet ist noch stark in Dunkel gehüllt. Da aber geistige Arbeit offenbar
mit einem sehr erheblichen Energieverbrauch verbunden ist, was durch die auftretende
und im Verlauf zunehmende nicht nur geistige, sondern auch körperliche Ermüdung als
erwiesen zu betrachten ist, darf man annehmen, daß es früher oder später gelingen
wird, auch ein Maß für diesen Energieverbrauch zu finden. Wie das zu geschehen hat,
ferner die Erklärung für das Ausbleiben einer Zunahme der allgemeinen Wärmeerzeugung
im Atwaterschen Zimmer, muß man füglich den Physiologen
überlassen; uns anderen bleibt nach den bisherigen Erfolgen ihrer Wissenschaft auf
den benachbarten Gebieten das Vertrauen, daß sie uns auch hier die erwünschte
Aufklärung bringen werden.
Jedenfalls bietet der Boden der heutigen, experimentellen Untersuchung mehr Gewähr
für eine der Wirklichkeit entsprechende Klarstellung als ältere Versuche, den
Zusammenhang zwischen körperlicher (mechanischer) und geistiger Arbeit spekulativ
durch theoretisch-mathematische Ueberlegungen zu finden. Zu den bedeutendsten dieser
älteren Versuche gehören die Arbeiten G. Th. Fechners zur
Begründung seiner Psychophysik.Fechner, Elemente der Psychophysik, 1860, 2 Bde.,
ferner Lipps, Grundriß der Psychophysik, 2. Aufl.
Leipzig 1909.
Entsprechend dem rein philosophischen Gedankengang, auf dem Fechner vor das Problem tritt, faßt er es nicht unmittelbar von der Seite
der Energetik, d.h. er spricht nicht unmittelbar von körperlicher und geistiger
Arbeit, sondern er sucht allgemein das Verhältnis von „Leib“ und
„Seele“, von „Reiz“ und „Empfindung“ zu ermitteln. Ihren
Zusammenhang und die gegenseitige Abhängigkeit sieht er als durchaus
selbstverständlich und keiner Erklärung bedürftig an, wenn er auch eingesteht,
„nicht der Reiz erweckt unmittelbar Empfindung, sondern zwischen ihn und die
Empfindung schiebt sich noch eine innere körperliche Tätigkeit, wir nannten sie
kurz die psychophysische, ein, die vom Reize erweckt wird und die nun erst
unmittelbar Empfindung mitführt oder nachzieht“. Trotz dieser Einsicht setzt
Fechner mit der gleichen Selbstverständlichkeit
voraus, daß diese Beziehung zwischen Leib und Seele durch eine einfache
mathematische Funktion darstellbar sein müsse. Das Webersche Gesetz (von Fechner so genannt, von E. H.
Weber 1851 ermittelt), wonach „gleiche relative
Reizzuwüchse gleichen Empfindungszuwüchsen entsprechen“, gilt ihm als
„fundamental für die psychische Maßlehre“, wenn auch „seine Giltigkeit
Schranken hat“. Es gibt ihm die „psychophysische
Fundamentalformel“
d\gamma=\frac{k\cdot d\,\beta}{\beta},
worin β den Reiz, γ die Empfindung, k eine
Konstante bedeutet, die von dem für β und γ zu wählenden Einheiten abhängig ist.
Durch Integration der Gleichung erhält man γ = k • lg
β. Das logarithmische Wesen des Gesetzes erläutert
Fechner selbst sehr augenfällig durch den Hinweis
darauf, daß auch die Zunahmen der Logarithmen gleich groß sind, wenn die relativen Zunahmen der Zahlen gleich sind:
log 10 = 1,000;
log 11 = 1,0414;
log 100 = 2,0000;
log 110 = 2,0414.
Genauer wird die Formel, wenn gesetzt wird
γ = k •
(lg β – lg b),
wo k außer von den gewählten
Einheiten noch vom logarithmischen System abhängig ist und b eine weitere Konstante, den Schwellenwert von β bezeichnet, wo γ beginnt.Der von Fechner
eingeführte Begriff „Schwelle“ für den Augenblick des Bewußtwerdens
einer Empfindung darf heute als bekannt vorausgesetzt werden.
Diese Formel wird von Fechner als die eigentliche „Maßformel“ bezeichnet.
In weiterer mathematischer Entwicklung findet Fechner
dann, daß „zu gleichen Unterschieden der geistigen Energie gleiche
Verhältniswerte der zugehörigen körperlichen lebendigen Kraft gehören und zu
hinreichend kleinen Unterschieden der geistigen Energie gleiche relative
Unterschiede der zugehörigen körperlichen lebendigen Kraft“.
Obwohl Fechner mit einem fein durchdachten System von
experimentellen Untersuchungen und Maßmethoden seine Anschauungen zu stützen und
ihre allgemeine Giltigkeit nachzuweisen versucht hat, konnten seine interessanten
und ernsthaften Forschungen zu einwandfreien Ergebnissen nicht führen, weil ihre
Grundlagen auf fehlerhaften Annahmen ruhen. Zunächst ist bereits der von Fechner zugestandene „psychophysische Vorgang“,
der sich zwischen Reiz und Empfindung schiebt, viel zu verwickelt, als das man
erwarten könnte, jeweils durch die gleiche Summe von Reiz-Energie die gleiche
Empfindungsgröße zu erhalten. Der Wirkungsgrad des psychophysischen Vorganges wird
je nach der Art des Reizes und der erzeugten Empfindung erheblich schwanken; es ist
daher von vornhinein ganz unwahrscheinlich, eine einfache, für alle Fälle
zutreffende mathematische Beziehung aufstellen zu können.
Dieses Scheitern der Fechnerschen Versuche, eine allgemein
giltige Abhängigkeit zwischen Reiz und Empfindung zu finden, schließt aber natürlich
nicht aus, daß
ähnliche Versuche auf enger begrenzten Gebieten des Empfindungslebens befriedigende
Erfolge zeitigen können, sofern man einstweilen die Ansprüche an die zu erwartenden
absoluten Werte nicht zu hoch stellt, sondern sich vorläufig mit der Feststellung
der allgemeinen Form der Beziehungen begnügt und ferner sich bewußt bleibt, daß wir
in diesen überaus schwer zugänglichen Gebieten auf ein Vorwärtstasten angewiesen
sind, der Wert unserer Ergebnisse mithin durch den Wert der zugrunde gelegten
Hypothesen bedingt wird. Ein Beispiel mag der Vergleich der Ostwaldschen „Theorie des Glücks“ mit älteren Vorstellungen
geben.W. Ostwald, Die Forderung des Tages. 2. Auflage
1911, S. 218 ff. Recht lesenswerte Erläuterungen und Beispiele dazu gibt H.
Michelis in „Der Monismus“ Nr. 65,
Nov. 1911, S. 500 ff.
Daniel Bernoulli und LaplaceBernoulli in Comment. acad. scient. imp.
Petropolit. T. V. 1738 unter dem Titel Specimen theoriae novae de mensura
sortis; Laplace in Théorie analytique des
probabilités (angef. nach Fechner).
machten den Begriff des Glücks („eine Summe wertvoller Empfindungen, fortune
morale“) abhängig von den physischen Gütern, die wir besitzen (fortune
physique, Besitz), und finden, „um einen gleichen Zuwachs zur fortune morale zu
gewähren, muß der Zuwachs zu der fortune physique im Verhältnis der fortune
physique stehen“. In der Ausdrucksweise Fechners
ergibt sich die Formel:
y = k •
log x + log h,
wenn y der dem Besitz x entsprechende Glückswert und h eine Konstante ist, die aus zwei zusammengehörigen, bekannten Werten für
x und y bestimmt
werden soll.
Ostwald geht bei der Bestimmung des Glückswertes von der
Anschauung aus, daß das Glücksempfinden bei jedem Geschehen abhängig ist von der
Größe des Energieumsatzes und von dem Maße, in dem das Geschehen unserem Willen
entspricht. (Die Frage nach dem Wertverhältnis mechanischer und geistiger Energie
bleibt hierbei zunächst offen.) Er findet durch Gegenüberstellung der unter
Lustempfindung (willensgemäß) betätigten Energiemenge E
und der unter Unlustempfindung (widerwillig) betätigten Energiemenge W den Ausdruck für das Glücksempfinden
G = (E +
W) (E – W)
oder rein mathematisch umgeformt
G = E2 – W2.
Die Erörterung dieser Formel gibt mannigfache, zum Teil überraschende Aufschlüsse
über das Wesen der menschlichen Glücksempfindung, sie macht es wahrscheinlich, daß
der gefundene Ausdruck sich mit den tatsächlichen Verhältnissen gut deckt, und macht
vor allem, wenn nicht absolute Größenwerte, so doch Vergleichswerte bestimmbar.
Immerhin wird man gerade bei der Bestimmung von Vergleichswerten nicht umhin können,
einen sehr bedeutenden Individualkoeffizienten einzusetzen. Außerdem aber ist es
durchaus nicht ausgeschlossen, daß man einmal auf Grund einer anderen Voraussetzung
auf eine andere Begriffsbestimmung des „Glücksempfindens“ kommt und damit
dann auch andere Unterlagen für die Aufstellung mathematischer Beziehungen erhält.
Denn eben die Grundlage dieser Begriffsbestimmung ist es ja, die eine gewisse
Willkür enthält; wie jede andere Hypothese kann auch sie durch die Beobachtung
zutreffender und übereinstimmender Ergebnisse zwar immer wahrscheinlicher gemacht,
aber weder als restlos richtig, noch als allein möglich erwiesen werden.
Immerhin ist die Möglichkeit dargetan, auch geistige, seelische Vorgänge energetisch
zu erfassen. Zergliederung in die Elementarbestandteile und Untersuchung der
Wesenheit dieser ist, wie so häufig, auch hier der Weg der wissenschaftlichen
Arbeit.
Es mag in diesem Zusammenhange hier noch hingewiesen werden, auf eine geistreiche
Studie von Stern
„Zur Psychologie der Gefahr“, die sehr sinnfällig den Begriff der Gefahr und
des Gefahrempfindens zergliedert und damit der Untersuchung näher zugänglich
macht.Technische
Monatshefte 1914 S. 201 ff. Ein weiteres Eingehen darauf würde
hier zu weit führen.
(Schluß folgt.)